Diese Studie beschäftigt sich mit einem Kostenfaktor, dem – insbesondere bei KMU – bis dato weniger Beachtung geschenkt wurde. Im Fokus der Untersuchung stehen die Materialkosten – und damit eng verbunden die Materialeffizienz, welche sich vereinfacht als Verhältnis von Output zu Input definieren lässt. Als Ergebnis jahrzehntelanger, intensiver Anstrengungen zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität ist mittlerweile festzustellen, dass sich die Kostenanteile in der Produktion erheblich verschoben haben. So hat etwa beim Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland im Zeitraum von 2004 bis 2007 der Ausgabenfaktor „Materialkosten (ohne Energie)“ an der gesamten Kostenbasis von 41,1 % auf 44,3 % zugelegt, während die anteilsmäßig auf den nachfolgenden Rängen liegenden Kosten für Personal bzw. Handelswaren von 20,0 % auf 17,3 % bzw. von 11,5 % auf 10,9 % gesunken sind. Die Personalkosten weisen somit inzwischen weniger als die Hälfte des anteiligen Gewichts der Materialkosten auf.
Geht man von einer ähnlichen Situation in Österreich aus, so ist bei einer durchschnittlichen Materialkostenquote in der Industrie von über 40 % zu vermuten, dass bei dieser Kostenkomponente enorme Effizienzpotenziale der (nieder)österreichischen Industrie noch ungenutzt sind. Hinzu kommt, dass die Materialkosten aufgrund einer über lange Jahre hinweg günstigen Rohstoffpreisentwicklung in den meisten Unternehmen nicht annähernd so stark wie die ständig zunehmenden Personalkosten optimiert wurden. Was mögliche Einsparungspotenziale infolge von Maßnahmen zur Erhöhung der Materialeffizienz betrifft, so ist bei Großunternehmen davon auszugehen, dass aufgrund des höheren Spezialisierungsgrades bei den Beschäftigten und der entsprechenden Forschungs- und Entwicklungskapazitäten die Bedeutung der Materialeffizienz als signifikanter Kostenfaktor nachdrücklicher adressiert wird. Bei KMU sollte hingegen noch ein großes Potenzial mobilisierbar sein. Maßnahmen zur Steigerung der Materialeffizienz bei KMU sollten insbesondere bei der Ausbildung der Beschäftigten sowie bei der Beratung über Einsparungspotenziale ansetzen.
Der Umsetzung von Materialeffizienz-Maßnahmen in KMU steht allerdings eine Reihe von Hindernissen entgegen. Von Seiten der Betriebe werden dabei vor allem genannt: Zeit- und Personalmangel, fehlendes materialeffizienzbezogenes Problembewusstsein und/oder Know How, Finanzierungsbeschränkungen sowie der Organisationsaufwand und das Amortisationsrisiko bei entsprechenden Investitionsvorhaben. Die Höhe der Materialeffizienzpotenziale variiert von Branche zu Branche. Zur Hebung dieser Potenziale bieten sich vor allem die folgenden Ansätze an: effizientes Produktdesign, Optimierung der Produktionsabläufe, neue bzw. alternative Werkstoffe sowie ein verbessertes Recycling. Stellvertretend für die zunehmende Zahl von Materialeffizienzmaßnahmen führt die Studie eine Reihe von Good-Practice-Beispielen an. Dabei handelt es sich um Maßnahmen verschiedener Unternehmen aus den Branchen Chemie, Holz, Maschinen und Metall sowie Nahrungsmittel.
Ein zentraler Teil der Studie befasst sich mit der Analyse der Materialeffizienz auf mikroökonomischer Ebene für Niederösterreich im Vergleich zu Österreich. Für die empirische Auswertung wurden Bilanzdaten der KMU FORSCHUNG AUSTRIA verwendet. Als Benchmark für die niederösterreichischen Kennzahlen auf Jahresbasis diente jeweils der entsprechende Wert der betrachteten Branche für Gesamtösterreich. Der Differenzierungsgrad wurde dabei durch branchenspezifische Analysen nochmals erhöht (Chemie, Holz, Maschinenbau, Metall, Nahrungsmittel und Textilien). Die Materialeffizienz (hier gemessen als Quotient aus Rohertrag und Materialaufwand) gibt Auskunft darüber, in welchem Verhältnis sich die Ausgaben für Material und die Erlöse reduziert um die Materialkosten zueinander verhalten. Hier ist ein möglichst hoher Wert erstrebenswert, der im niederösterreichischen Durchschnitt (bezogen auf die Beobachtungsperiode) nur in der Branche Maschinenbau mit 0,949 höher als in Österreich 0,927 lag. Die folgenden niederösterreichischen Branchen liegen im nationalen Vergleich unterdurchschnittlich: Holz (Ö: 0,767; NÖ: 0,747), Metall (1,075; 1,032), Nahrungsmittel (0,696; 0,643), Chemie (0,842; 0,782) und Textilien (0,942; 0,812). Aufgrund eines teilweise beträchtlichen Umfangs an Fremdleistungen erfolgte eine modifizierte Berechnung des Materialaufwandes, der nicht nur den innerbetrieblichen Materialeinsatz, sondern auch den in Fremdleistungen beinhalteten Materialinput berücksichtigt und somit den gesamten endproduktbezogenen Materialaufwand erfasst. Die durchschnittliche Kennzahl im Untersuchungszeitraum liegt lediglich für die Branche Maschinenbau in Niederösterreich unter dem Vergleichswert Österreichs (Ö: 52,0 %, NÖ: 51,4 %). Alle übrigen untersuchten Branchen in Niederösterreich hatten einen höheren Materialaufwand: Holz (56,6 %; 57,3 %), Metall (48,3 %; 49,4 %), Nahrungsmittel (59,0 %; 61,0 %), Chemie (54,4 %; 56,5 %) und Textilien (51,5 %; 55,4 %).
Den Abschluss der Studie bildet eine Reihe von Vorschlägen zur Förderung der Materialeffizienz insbesondere auf Ebene der KMU. Dazu gehört unter anderem die Ausbildung von Materialberatern, die Unternehmen materialintensiver Kernbranchen Beratungsdienste im Hinblick auf eine Erhöhung der Materialeffizienz anbieten. Die Entwicklung eines Internet-Tools zur Materialeffizienz dürfte die Kommunikation mit und zwischen KMU erleichtern. Um die Thematik der Materialeffizienz in weiteren Teilen der Bevölkerung zu verankern, könnte neben einer Potenzialanalyse über alle Branchen hinweg auch eine allgemeine Informationskampagne zur Materialeffizienz in Betracht gezogen werden.
Dateien zum Herunterladen
Ihr Ansprechpartner bei Rückfragen
DI. Helmut Berrer
Tel.: +43 676 3200 403
Mail: helmut.berrer@economica.at